B2B: Lebenszyklen strategisch nutzen
von Dr. Axel Weller, Svenja Steyns
Es ist der Lauf der Dinge: Jedes Produkt durchläuft während seines Daseins verschiedene Phasen am Markt – der berühmte Produktlebenszyklus. Jede Phase hat ihre Chancen und Risiken und stellt eigene Anforderungen an Unternehmen. Soweit die gängige Literatur.
Was passiert während dieser Phasen eigentlich im Vertrieb? Es wird als selbstverständlich angenommen, dass der Vertrieb in all diesen Phasen das Zugpferd bleibt und routiniert am Markt agiert.
Wir sehen häufig, dass Unternehmen vertrieblich nicht gut darauf vorbereitet sind, sich etwa auf die neuen, härteren Gesetze der Reifephase einzulassen und schnell in die Defensive geraten.
Es sind die Übergänge von Phase zu Phase, die Schwierigkeiten bereiten.
Phase 1: Markteinführung
Betriebswirtschaftlich gesehen will man zum Ende der Einführungsphase möglichst den Break Even Point erreichen. Häufig ist das mit hohen Investitionen für Werbung verbunden – ein substanzieller Kundenkreis und eine entsprechende Position im Markt sollen möglichst rasch erobert werden. Was geschieht an der Vertriebsfront?
- Bei aller Euphorie über ein neues Angebot steht der Vertrieb unter Druck: Kommt das Produkt gut bei den Kunden an?
- Es ist mit Widerstand und Gegenargumenten zu rechnen: nicht alle Kunden werden von der neuen Produktidee begeistert sein. Eine zweite Chance, das Produkt zu präsentieren, bekommt man selten.
- Möglicherweise tauchen „Bugs“ im Produkt auf oder die Lieferfähigkeit leidet. Erste Spannungen sind vorprogrammiert.
Unsicherheit ist ein integraler Bestandteil der Phase. Dabei ist es wichtig, den Vertrieb auf den Umgang mit diesen Situationen einzustellen. Und darauf, dass nicht jeder Versuch, das Produkt an den Kunden zu bringen, direkt gelingt. Es hilft, an dieser Stelle einen engen Austausch im Team zu pflegen und zusammen Lösungen für bestimmte Kundensituationen zu erarbeiten. „Zusammen lernen mit Trial and Error“ ist das vorherrschende Prinzip, das mit positiver Grundhaltung zu pflegen ist: ausprobieren, als Team lernen, neu ansetzen.
Phase 2: Wachstum
Die Wachstumsphase zeichnet sich durch einen steigenden Absatztrend aus – das neue Produkt gewinnt, u.a. durch Marketingunterstützung, an Bekanntheit und beginnt, sich langsam gegenüber Vorläuferprodukten oder alternativen Lösungen durchzusetzen. Wachstum wird darüber hinaus durch geografische Expansion, oft Internationalisierung, generiert. Das Unternehmen beginnt, mit dem Produkt Gewinn zu machen. Gleichzeitig tauchen am Markt Imitationen auf. Was ist im Vertrieb zu beobachten?
- Das Vertriebsteam erfährt in dieser Phase, wenn das Produkt erfolgreich am Markt abgesetzt wird, einen Schub an Bestätigung für seine Arbeit.
- Wachstum wird zur Selbstverständlichkeit.
- Erfolgversprechende Routinen etablieren sich, weniger erfolgreiche werden aussortiert.
- Wettbewerber werden beobachtet.
Diese positive Grundstimmung sollte gepflegt werden, ohne sich auf dem Erfolg auszuruhen. „Das Bessere ist des Guten Feind“ und „wachsam und hungrig bleiben“ stehen als Leitprinzipien in dieser Phase im Vordergrund: Routinen weiter verbessern, Prozesse optimieren oder standardisieren, Produkt optimieren, ggf. die Substanz einer Marke festigen. Wettbewerber, auch wenn sie noch unbedeutend sind, ernst nehmen und Gegenmaßnahmen vorbereiten.
Phase 3: Reife
Wenn die Wachstumskurven langsam abflachen, ist die Reifephase des Produktlebenszyklus erreicht. Die meisten Produkte erreichen in dieser Phase ihren profitabelsten Zustand. Märkte wachsen nur noch wenig oder gar nicht. Für die Anbieter ist Wachstum nur durch das Abwerben von Kunden möglich. Was passiert im Vertrieb?
- Die „Selbstverständlichkeit des Wachstums“ aus Phase 2 ist nicht mehr spürbar.
- Vertriebsteams müssen mit scheinbar anspruchsvolleren Kunden umgehen: Verkaufsgespräche werden härter, Preisnachlässe kommen häufiger ins Spiel.
- Frustration über den Verlust von ehemals loyalen Kunden an die Konkurrenz macht sich breit.
Der Übergang in die Phase der Reife ist besonders anspruchsvoll für Vertriebsteams, weil diese häufig fast unmerklich in die Defensive geraten. Im Vordergrund steht jetzt, anspruchsvoller werdende Kunden bzw. Kunden, deren Anforderungen sich verändert haben, an das Unternehmen zu binden. Wachstum ist kein Selbstläufer mehr – dazu müssen Kunden, die vom Konkurrenzprodukt überzeugt sind, gewonnen und – ganz wichtig – die eigenen Kunden gebunden werden. Rückschläge und erfolglose Tage sind vorprogrammiert.
Um den Schritt „Raus aus der Defensive“ zu schaffen, lohnt es sich, in dieser Phase die gesamte Marktbearbeitung unter die Lupe zu nehmen: wie werden neue Leads systematisch generiert, wie kann man bestehende Kunden, etwa mit Serviceangeboten, an sich binden, wie blicken Kunden auf das eigene Unternehmen und wie kann man die Interaktion für Kunden noch einfacher und einladender machen. Besonderes Augenmerk ist in der Reifephase auf die Haltung der Vertriebler zu legen: mit welcher inneren Überzeugung über die eigene Wirksamkeit gehen Sie in Kundengespräche? Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist zwar ungleich verteilt, aber sie lässt sich stärken. Wie in Phase 1 steht auch in dieser Phase Ausprobieren und gemeinsames Lernen im Vordergrund, wenn auch mit anderen Inhalten. Argumentationslinien können hier zusammen angepasst und ggf. mit externen Branchenexperten abgeprüft werden.
Phase 4: Sättigung
Im Produktlebenszyklus ist die Sättigungsphase durch einen Umsatz- und Gewinnrückgang gekennzeichnet. Es findet kein Marktwachstum mehr statt. Die Phase ist durch Verdrängungswettbewerb charakterisiert, bei dem Kostenführerschaft bzw. Effizienz eine große Rolle spielt. Produkte werden überarbeitet, Facelifts und Relaunches helfen, sich zu differenzieren.
- Vertriebsteams sind daran gewöhnt, dass Kunden hart umkämpft sind.
- Kunden zu gewinnen oder zu verlieren ist Teil des Spiels geworden und löst im Vergleich zu vorhergehenden Phasen weniger Emotion aus.
- Im Verkaufsgespräch werden neue Produktmerkmale hervorgehoben.
Das Leitprinzip „Make the Best out of it“ steht in dieser Phase im Vordergrund. Es gilt, Kunden von den überarbeiteten Produkten bestmöglich zu überzeugen. Und die Profitabilität der einzelnen Kunden noch stärker als bisher zur Entscheidungsgrundlage zu machen. Die in der Phase 3 gestärkte Selbstwirksamkeitsüberzeugung macht sich hier bezahlt. Einen neuen Kunden zu gewinnen wird allerdings zunehmend schwerer. Dem muss sich das Vertriebsteam bewusst sein und die Euphorie der Kunden in der Marktwachstumsphase nicht als Referenzpunkt heranziehen. Der Teamgedanke ist in dieser Phase besonders wichtig, um Vertriebsmitarbeiter vor „Vereinzelung“ zu schützen.
Phase 5: Rückgang
In der Rückgangsphase ist ein zunehmender Verlust von Gewinn, Umsatz und Marktanteilen zu erkennen. Marketinganstrengungen können den Rückgang zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausreichend kompensieren. Es geht in dieser Phase darum, Produkte zu vereinfachen und damit kostengünstiger zu machen, da die Zahlungsbereitschaft der Kunden weiter abnimmt. Gleichzeitig steht das Unternehmen unter Druck Nachfolger oder sogar neue Technologien zu entwickeln. Der Fokus wird daher erneut neu ausgerichtet auf Produktentwicklungen, etwa Varianten oder Nachfolgemodelle des Ursprungsproduktes.
- Vertriebsteams punkten bei vereinfachten, „No-frills-Produkten“ beim Kunden eher mit guter Lieferperformance oder einem abgestimmten Sortiment, das den Einkauf vereinfacht (One-Stop-Shopping).
- Ggf. lässt die Motivation für den Verkauf des alten Produkts nach und/oder Einzelne „hängen“ am Bisherigen.
Aus Unternehmenssicht erfordert diese Phase zwischen den Produktlebenszyklen ein gewisses Maß an Beidhändigkeit: das alte Produkt, die alte Technologie ist noch im Markt und neue Produkte erblicken das Licht der Welt. Und beides muss gleichzeitig gehandhabt werden. Vertrieblich erfordert diese Phase, „den Bogen weiter zu schlagen“ und Kunden mit Argumenten zu überzeugen, die außerhalb des Produktes zu suchen sind.
Vorausschauende Unternehmen nutzen diese Phase vertrieblich, um mit Kunden über ein konkretes Produkt hinaus, etwa zu zukünftigen Anforderungen, ins Gespräch zu kommen. In dieser Phase können Vertriebsteams ihre Kunden neu erforschen und Anknüpfungspunkte für spätere Gespräche und Argumentationslinien finden. Es macht Sinn, diese Vorgehensweise innerhalb des Teams gut abzustimmen und Erfahrungen zu vergemeinschaften.
Fazit
Weder die Länge noch der Verlauf eines Produktlebenszyklus kann exakt vorausgesagt werden. Für den Vertrieb kann es äußerst hilfreich sein, bewusster als bisher zu überlegen, welche vertrieblichen Aktivitäten und welche Anforderungen an Haltung und Verhalten der Teammitglieder sich ableiten lassen.
Gerade am Übergang zwischen Wachstums- und Reifephase beobachten wir häufig, dass Vertriebsteams in die Defensive geraten. Stagnation in der Umsatzentwicklung, häufiges Schielen nach Rabatten, Frustration in der Mannschaft sind die Folge. Die gute Nachricht ist: indem man die Zeichen des Marktes gut einordnet und den Übergang aktiv gestaltet, kann man diese Risiken abfedern.
Unsere Erfahrung zeigt: Es lohnt sich, vom Produktlebenszyklus immer wieder die vertrieblichen Entwicklungsmaßnahmen abzuleiten, um diesen für die Wirksamkeit im B2B Vertrieb zu nutzen.
Nutzen Sie den Produktlebenszyklus für die Wirksamkeit im B2B Vertrieb!
Sie wünschen sich mehr Information? Sprechen Sie uns einfach an: Dr. Axel Weller (aw@management-partner.com). Wir freuen uns!
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