1.3.2024

Veränderungsfähigkeit: Kernkompetenz oder Buzzword?

Veränderungsfähigkeit

Veränderungsfähigkeit: Kernkompetenz oder Buzzword?

von Dr. Bettina Bürkin

In einer Welt, die sich ständig wandelt, ist die Fähigkeit von Unternehmen sich anzupassen und zu erneuern entscheidender denn je. Disruptive Veränderungen stellen Pläne von heute für morgen schon wieder auf den Kopf. Vorhersagen sind nur bedingt gültig und verlässlich, Rahmenbedingungen ändern sich von heute auf morgen. Traditionelle Werkzeuge und Methoden, durchberechnete Planungen und lang angesetzte Entwicklungszyklen sind dann nicht mehr unbedingt hilfreich. Auch eingespielte Denk- und Handlungsmuster helfen nicht mehr weiter – im Gegenteil, sie können sogar blockieren. Stattdessen ist die flexible, häufig spontane Anpassung sowohl von Abläufen, Strukturen und Prozessen als auch Denk- und Handlungsmustern, an die sich immer wieder verändernden Bedingungen gefordert.  

Und das fordert heraus. Unternehmen, Führungskräfte aber auch die Menschen an sich. Was braucht es also heute, um ein Unternehmen bei diesen stürmischen Bedingungen im richtigen Fahrwasser zu halten und besonnen zu navigieren?

Hierbei taucht der Begriff der Veränderungsfähigkeit in vielen Diskussionen auf. Klingt so einfach, aber was steckt genau dahinter? Eine einheitliche Definition ist nicht zu finden, der Begriff scheint vielmehr für sich selbst zu stehen. Versuchen wir also einmal zu ergründen, was sich dahinter für Unternehmen verbirgt und so (erste) Erkenntnisse zu erlangen, was Veränderungsfähigkeit für Organisationen genau bedeutet.

Die Vielfalt der Begriffe

Recherchieren und sprechen wir über Veränderungsfähigkeit, begegnen uns zahlreiche Begriffe:  Agilität, adaptible oder responsive Organisationen sind Begriffe, die dazu in der „Praxis“ vor allem auftauchen. Ambidextrie, Anpassungsfähigkeit, kontinuierliche Selbsterneuerung, dynamische Fähigkeiten und Agilität u.v.m. lassen sich zudem auch wissenschaftlich(er) fundieren. Jeder dieser Begriffe beleuchtet unterschiedliche Facetten, doch alle kreisen um die zentrale Idee, wie Organisationen auf Veränderungen reagieren und diese für ihren Erfolg nutzen können. Schauen wir also, was wir aus einigen dieser verschiedenen Ansätze für Veränderungsfähigkeit extrahieren können.

Ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammend beschreibt Agilität mittlerweile ein umfassendes Organisationskonzept für Unternehmen. Agile Organisationen agieren nicht in starren Strukturen, sondern sind vielmehr in der Lage, sich selbst durch proaktives und initiatives Verhalten an sich immer wieder verändernde Rahmenbedingungen anzupassen (www.bwl-lexikon.de).  Permanente Transformation gilt hier als Mindset, Agilität ist das Allheilmittel, um möglichst reaktionsfähig zu sein.  

Die kontinuierliche Selbsterneuerung beschreibt zwar auch einen tiefgreifenden Veränderungsprozess, der vorausschauend erfolgt und nicht durch einen akuten Handlungsdruck oder eine Krise ausgelöst wird (Gergs 2016; Seiderer 2021). Gergs hebt allerdings zum einen den Aspekt der vorausschauenden Vorbereitung auf die Zukunft hervor, um auch mit den vorhandenen Ressourcen in guten Zeiten effizient umzugehen und radikale, oftmals weniger effiziente Wandel so zu vermeiden. Jedoch betont er, dass Stabilität ein zentrales Element ist, das Agilität und Veränderung erst sicher und nachhaltig ermöglicht. So beschreibt er anhand des Beispiels der Flugzeugkonstruktion, wie wichtig stabile Konstruktion für die sichere, zivile Luftfahrt ist. Kampfflugzeuge dagegen seien höchst instabil, um möglichst wendig zu sein und bedürfen permanenter Lenkbewegungen, um den Absturz zu verhindern. Gleichsam braucht es auch in Unternehmen immer wieder steuernde, „reintegrierende“ Bewegungen, um die Organisation bei aller Flexibilisierung stabil zu halten (Gergs 2018).  

Auch die Ambidextrie beschreibt mit der Fähigkeit der sogenannten „Beidhändigkeit“ eines Unternehmens, die Notwendigkeit einer Organisation, immer wieder zwischen der Durchführung des Tagesgeschäfts und der Investition in die Zukunftsfähigkeit zu balancieren. Bestehende Kompetenzen sind zu nutzen und gleichzeitig auch neue Kompetenzen zu entwickeln, um langfristig erfolgreich zu sein. Ein Unternehmen ist dann wettbewerbsfähig, wenn es gelingt, das Tagesgeschäft effizient zu führen, während gleichzeitig in die Zukunft investiert wird (Gibson/Birkinshaw 2004).

Die „change capacity“ – Veränderungskapazität schließlich, bietet noch den ganzheitlichen Rahmen, der aufzeigt, auf welchen Ebenen sich Veränderungsfähigkeit abspielt und dazu beiträgt (Heckmann et al. 2016). Führung bietet in stürmischen Zeiten und beim ständigen Balancieren von Stabilität und Wandel Orientierung, während Kultur Stabilität geben kann durch Identität aber auch Flexibilität durch das passende Mindset, bspw. die vielbesungene Fehlerkultur. Natürlich braucht es auch weiterhin Prozesse und Strukturen. Aber richtig überdacht, helfen sie Flexibilität an den passenden Stellen zu ermöglichen: Hierarchiearme Strukturen und cross-funktionale Teams wirken wie ein prophylaktischer Schutzschild bei unerwarteten Events, wie etwa die Pandemie oder Veränderungen im Markt. Gut über Abteilungsgrenzen verdrahtet zu sein hilft enorm, die entsprechenden Aktivitäten rasch auf die Beine zu stellen.

Übergeordnete Merkmale von Veränderungsfähigkeit

Zwar haben wir immer noch nicht die eine Definition von Veränderungsfähigkeit damit gefunden. Aber begreift man alle diese Begriffe als Elemente oder Ansätze, Veränderungsfähigkeit in seiner Gesamtheit näher zu fassen, lassen sich einige übergeordnete Merkmale identifizieren, die für Veränderungsfähigkeit essenziell sind:

  • Proaktivität und Kontinuität: Nicht nur auf Veränderungen reagieren, sondern aktiv zukünftige Trends und Herausforderungen antizipieren. Veränderung als ständigen Prozess zu verstehen und institutionalisieren, hilft vor ihr die Angst zu nehmen und vielmehr die Chancen zu ergreifen, Gestalter*in der eigenen (Unternehmens)zukunft zu sein.
  • Lernen aus der Vergangenheit und Identität: Reflektion über Erfahrungen für zukünftige Strategien und Handlungen, mit der Bewertung: was gab und gibt uns Stabilität und Halt für stürmische Zeiten, was ist der Kern unserer Identität und ist nicht verhandelbar? Bei gleichzeitiger Offenheit dafür, was über Bord geworfen und neu gelernt werden muss.
  • Balancieren gegenläufiger Tendenzen bzw. vermeintlicher Spannungsfelder: Effizienz und Innovation, Stabilität und Flexibilität in Einklang bringen und offen dafür sein, dass es häufiger ein sowohl-als-auch-Denken benötigt. Oder, wie es Gergs so schön ausdrückt: „Oszillieren zwischen Verwandeln und Bewahren, zwischen Risiko und Sicherheit“ (Gergs/Lakeit/Linke 2018)
  • Multidimensionalität: Veränderungsfähigkeit kann nur erreicht werden, wenn sie ganzheitlich gedacht wird: Auf struktureller und prozessualer Ebene ebenso wie auf Kultur- und Kompetenzebene müssen Voraussetzungen geschaffen werden, um Veränderungsfähigkeit zu institutionalisieren. Offene Innovationsprozesse, gepaart mit einer Kultur, die Fehler zulässt und Führung, die in einem unruhigen, agilen Umfeld Orientierung bietet helfen, sehr viel schneller und resilienter Veränderungen proaktiv anzunehmen und zu gestalten.

Fazit: Veränderungsfähigkeit ist Kernkompetenz ist Arbeit am System  

Veränderungsfähigkeit ist also ein multidimensionales Konstrukt, das sich aus verschiedenen Ansätzen gründet und weit über einfache Anpassungs- oder Reaktionsprozesse hinausgeht.  

Verstehen wir Veränderungsfähigkeit damit als Überbegriff über die verschiedenen gezeigten Dimensionen, ist es viel mehr als ein Buzzword. Wir sehen darin eine tiefergehende Fähigkeit und Eigenschaft von Organisationen, auf Veränderungen nicht nur zu reagieren, sondern Veränderungen als wesentlichen und „normalen“ Bestandteil der Unternehmensführung und Arbeitsgestaltung zu betrachten und damit umzugehen.  

Um veränderungsfähig zu sein, ist es für Unternehmen daher wichtig, sich die Multidimensionalität bewusst zu machen und diese Fähigkeit für sich – unternehmensindividuell – zu entwickeln.  Veränderungsfähig werden solche Unternehmen, die nicht nur Themen lösen, sondern sich den übergeordneten Fähigkeiten und Mustern zuwenden und an verschiedenen Stellen in einer Organisation gleichzeitig ansetzen. Kurz: Wenn sie am System arbeiten und nicht allein im System.

Sie wünschen mehr Information zum Thema? Sprechen Sie uns einfach an: Dr. Bettina Bürkin (bbu@management-partner.com). Wir freuen uns!

Management Partner ist die richtige Beratung für alle, die sich anspruchsvolle Ziele setzen. Dabei entdecken wir Chancen, die versteckt geblieben sind, und Lösungen, die vorher nicht vorstellbar waren. Gemeinsam mit Ihnen gelingt es uns, Ihr Unternehmen spürbar — und messbar — zum Besseren zu verändern. Wir helfen, Ihre Veränderungsfähigkeit zu entwickeln —und zu behalten. Auch wenn unser Auftrag irgendwann endet — Ihre Veränderungsfähigkeit bleibt.

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